Messianische Juden

Wir als die religiöse Bewegung der messianischen Juden sehen in Jesus Christus den Messias des Volkes Israel. Wir sehen uns in der Tradition der christlichen Urgemeinde Jerusalems zu Hause und verbinden die jüdischen Traditionen mit der biblischen Lehre.

Die messianischen Juden verstehen sich als Bindeglied zwischen der jüdischen, christlichen und häufig auch der arabischen Welt. Die meisten Religionen betrachten die messianischen Juden als christliche Gruppierung.

In der tagespolitischen Diskussion liegt ein gewisses Konfliktpotential darin, dass sie auf die traditionelleren jüdischen Gruppen zu christlich und auf die traditionelleren christlichen Gruppen zu jüdisch wirken.

Was glauben eigentlich messianische Juden? - Ein Besuch bei Gemeinden in Israel

Christ werden und Jude bleiben

Wir sind in Israel eine ungeliebte Minderheit. In Deutschland werden wir von manchen Kirchenvertretern geschnitten, als dürfte es uns gar nicht geben: uns die messianischen Juden. Wir glauben an Jesus Christus als Sohn Gottes und Erlöser. Wir rühren damit an ein Tabuthema: Darf man unter Juden missionieren? Wir jedenfalls sind eine Frucht der Judenmission.
 

Welche Rollen spielen wir heute in Israel? Was glauben wir? Waltraud Rennebaum (Burscheid bei Köln) hat prägende Persönlichkeiten der messianischen Gemeinde in Israel besucht.

Das messianische Judentum ist eine eher unauffällige Bewegung, die sich ihren Platz in der israelischen Gesellschaft erst noch erkämpfen muss. Zu ihr gehören schätzungsweise 7000 Gläubige, die sich auf etwa einhundert Gemeinden verteilen. In allen Ballungsräumen gibt es Gemeinden oder zumindest eine Hauszelle. Dieser geistliche Aufbruch im Land der Bibel ist jedoch ein kompliziertes Thema. Wenn ein Jude Jeschua (hebräischer Name für Jesu) als Messias bezeugt, stößt er im eigenen Volk auf Skepsis oder Ablehnung.


Ein Holocaustüberlebender

Am ersten Abend in Jerusalem treffe ich Zvi Kalisher, eine Holocoustüberlebenden aus Polen. Er erzählte seine erschütternde Lebensgeschichte. Im Alter von zehn Jahren wird er von seinen Eltern getrennt; vergeblich sucht er nach ihnen im Warschauer Ghetto. Durch einen schlichten Bibelvers findet er schließlich zum Glauben an Christus; »Denn Vater und Mutter haben mich verlassen, aber der Herr nimmt mich auf.« (Psalm 27,10) Auch sein Sohn Meno Kalisher ist Jesusgläubiger Jude und leitet die Gemeinde Beit Ge'ula (Haus der Erlösung). Er widmet sich besonders der Evangelisation in Israel. Auch im Internet sieht er eine Möglichkeit, Jesus bekannt zu machen. Die Besucher seiner Internetseite können das Evangelium kennen lernen, Antworten und ihre Fragen erhalten, und sie können kostenlos eine komplette Bibel beziehen. Er betont: »Unser Identität als Gläubige kommt nicht durch jüdische Tradition im Gottesdienst, z. B. eine Kippa (Kopfbedeckung religiöser Juden). Das hat nur draußen vor der Tür Platz! Allein die Bibel gibt uns Frieden ins Herz.« Mit dieser Überzeugung ist es gewiss nicht leicht, Juden für die gute Nachricht zu gewinnen. In Israel zu evangelisieren ist ohnehin heikel.


Wenig Verständnis

Viele der älteren Generationen in Israel haben unter den Nationalsozialisten oder Pogromen in der ehemaligen Sowjetunion bloß deshalb gelitten, weil sie Juden sind. Sie haben meistens wenig Verständnis, wenn ein Jude den christlichen Glauben annimmt. Für manche orthodoxe Juden stellt das Christentum eine feindliche Religion dar, die man als Bedrohung jüdischen Lebens empfindet. Glaubt ein Jude an Jesus, so meinen sie dass er sein Judentum aufgegeben hat. Es ist so, als habe die Synagoge eines ihrer Glieder an die Kirche verloren. Messianische Juden haben eine andere Sichtweise. Geistlicher Hunger nach Gott treibt manchen Juden dazu, selbst in ihrer Bibel zu lesen. Sie entdecken darin viele Hinweise auf den Messias Israels. Sie lesen, dass er leiden muss und wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt wird, um die Strafe für die Sünden seines Volkes zu tragen (Jesaja 53,5-7) Traurigerweise wird dieses Kapitel, das die Leiden des Erlösers beschreibt, in der heutigen Synagoge oft nicht mehr gelesen. Lesen Juden auch das Neue Testament, beginnen sie Gottes Heilsplan mit Israel zu verstehen und erkennen nach und nach die Einheit beider Testamente. So entdecken viele durch den Glauben an Jesus ihre wahre Bestimmung. Übrigens sind die Evangelien für sie eine große Überraschung, da diese entgegen ihrer Befürchtung nicht antisemitisch, sondern zutiefst jüdisch geprägt sind. Jesus wird darin als herausragender Mann des eigenen Volkes geschildert, der die Torah (fünf Bücher Mose) achtet, als einen der sie seinen Jüngern auslegt und sie vollkommen erfüllt. Josef Shulam, ausgebildeter Rabbiner und studierter Theologe, ist Pastor der Gemeinde Adonai Roi (Der Herr ist mein Hirte) in der Jerusalemer Narkisstraße. Sein Empfinden beim Lesen des Neuen Testaments schildert er so: "Da fand ich nichts über Priester, Nonnen, Klöster, Rom,  Erzbischöfe oder Weihnachten. Ich fand keinen christlichen Feiertag, alles war sehr jüdisch. Das erstaunte mich sehr und weckte mein Interesse." Gerade zum Glauben gekommen, hatte er in einer messianischen Gemeinde ein Schlüsselerlebnis. Er sah, wie ein Gemeindeglied seinen jüdischen Mitbruder die Kippa vom Kopf zerrte und zu Boden warf. Dieser peinliche Vorfall prägte sich tief ein und brachte Shulam auf die Idee, einen Weg zu suchen, wie Juden ihren Glauben an Jesus auf jüdische Weise leben können, denn die Kippa symbolisiert ja dass der Herr das Haupt, des Trägers der Kippa ist. 1981 gründete er die Organisation Netivya, was »Weg des Herrn« bedeutet. Das Werk umfasst nicht nur eine messianische Synagoge, sondern auch eine Suppenküche, die monatlich 1.000 Mahlzeiten an Bedürftige austeilt. Außerdem gibt es ein Zentrum für Schriftforschung und Bibelstudien über die Situation der ersten jüdischen Apostel und Gemeinden. Man arbeitet zusammen mit Professoren der Hebräischen Universität an einem kompletten jüdischen Kommentar zum Neuen Testament. Am Abend treffen wir Zvi Sadan, einen von Shulams engsten Mitarbeitern, eine wachechten Sabre (in Israel geborener Jude). Für Sadan ist es wichtig, dass ein messianischer Jude nicht nur treu zur Schrift, sondern auch zu seinem Volk steht. In diese doppelte Berufung sieht er seine jüdischen Brüder und Schwestern von Gott hineingestellt. Er erklärt: »Es geht dabei zwar nicht um eine Heilsentscheidung, aber immerhin um die Erfüllung biblischer Prophetie. Wir finden in der Schrift nur eine einzige Nation, die von Gott als Ganzes erwählt wurde, nämlich Israel. Wenn ein Jude Jesus erkennt, ändert sich der Ruf seiner Erwählung als Teil des jüdischen Volkes nicht. Denn Gottes Berufungen können ihn nicht reuen.«


Die schwierige Einheit

Wenn ein Jude seinen Glauben an Jesus auf jüdisch traditionelle Weise ausdrückt, wie kann er dann zur Einheit mit seinen nichtjüdischen Glaubensgeschwistern gelangen? Dieses Problem beschäftige auch schon den Apostel Paulus. Der im Römerbrief skizzierte edle Ölbaum, dessen natürliche Zweige die jüdischen Gläubigen symbolisieren, bietet auch Platz für nichtjüdische Gläubige. Paulus schreibt in diesem Bild das Spannungsverhältnis zwischen Juden- und Heidenchristen und warnt beide Seiten eindringlich vor Stolz und Unglauben. Nur in gegenseitiger Demut und in Abhängigkeit vom Messias werden sie ihren Platz in diesem Baum behalten (Römer 11,12-24). Die Einheit unter Christen ist in Israel allerdings eine enorme Herausforderung. Nirgendwo sonst in der Welt leben so unterschiedliche Kulturen so dicht gedrängt wie hier. Es gibt Einwanderer aus Äthiopien, Russland, USA, Indien, Skandinavien, Jemen, Schweiz, Argentinien, Marokko, Neuseeland, Polen oder Griechenland, um nur einige der 102 Herkunftsländer zu nennen. Jeder bringt seine Mentalität, seine Bräuche und Sprache mit. Zusätzlich lasten enormer politischer Druck von außen und ständige Gefahren von innen auf den noch jungen Staat. Allen Widrigkeiten zum Trotz formt sich erstmalig seit 2.000 Jahren wieder eine lebendige messianisch-jüdische Gemeinschaft in Israel.


Extreme Gegensätze

Ebenfalls in der Jerusalemer Narkisstraße befindet sich Ofer Amitais Gemeinde, die sich im Baptistenzentrum versammelt. Er berichtet: »Wir sind eine hebräisch sprechende Gemeinde mit überwiegend jüdischen Mitgliedern, die aus mehr als zehn Ländern kommen. Das ist nicht leicht. Aber hier ist sowieso alles nur Kampf ums Überleben. Nicht nur geistlich ist das so, sondern auch im Natürlichen wird das deutlich.«

Amitai sieht im Gebet die wichtigste Aufgabe seiner Gemeinde, denn nur betend richte man seinen Blick allein auf Jesus. Er erklärte: »Wir haben innerhalb des messianischen Leibes Jesu extrem gegensätzliche Positionen. Einige betonen die jüdische Tradition, um sich dem eigenen Volk als authentische Juden zu zeigen. Andere von uns lehnen dies strikt ab und gehen ganz in der bereits gewachsenen Kirche auf. Der einzige Weg, unseren Kampf zu gewinnen, ist auf Jesus zu schauen.« Lachend fügt er hinzu: »Aber denkt nicht, wir hätten nur Probleme! Wir haben auch viel Freude, besonders wenn ein Israeli zum Glauben an Jesus findet.


Jeder kennt seinen Feind

Israel ist ein Land voller Gegensätze. Das gilt für die Landschaft genauso wie für ihre Menschen, und bekanntlich ziehen sich Gegensätze an. Ob das jedoch auf Araber und Juden zutrifft, ist zweifelhaft. Salim Munayer ist Araber, der ausgerechnet durch einen Juden, nämlich Josef Shulam, zum Glauben kam. Ist das vielleicht der verborgene Grund für seine Sehnsucht nach Versöhnung zwischen beiden Völkern? Vor 13 Jahren gründete er das Werk Musalaha (arabisch »Versöhnung«). Er erzählt: »Mit fünf Jahren weiß hier jeder, wer sein Feind ist. Jüdische Kinder haben gelernt, keinem Araber zu trauen, und umgekehrt ist es genauso. Jede Seite denkt von sich ›Wir sind die Guten, die anderen sind die Bösen‹.« Seine Erfahrung lehrte ihn, dass diese Feindschaft durch den Glauben nicht automatisch verschwindet: »Juden betonen die alttestamentlichen Verheißungen für das Land, in dem sie gesammelt werden sollen. Palästinenser betonen hingegen die Bedingungen des Neuen Bundes. In unsere Lage wurde mir Jesu Gebot der Feindesliebe wesentlich. Es bedeutet für mich, Juden zu lieben.« Munayer veranstaltet Konferenzen und evangelische Einsätze.

Gemeinsam in der Wüste

Seine Spezialität sind jedoch Wüstencamps, an denen junge gläubige Araber und Juden teilnehmen. Je ein Jude und ein Araber verbringen gemeinsam einen Tag zusammen in der Wüste, Sie müssen ihren Platz auf dem Kamelrücken und ihre Nahrung miteinander teilen. Sie verständigen sich über ihren Weg und suchen für jedes Problem gemeinsam eine Lösung. Die Wirkung ist großartig! Einige kehren völlig verwandelt zurück, andere sind innerlich tief berührt. Anschließend gibt es Gespräche über das Erlebte, und man beginnt, sich gegenseitig neu wahrzunehmen. Musalaha (www.musalaha.org) ist ein Zeichen der Hoffnung auf einem langen, schwierigen Weg.


Friedensvertrag im Herzen

In der nordisraelischen Hafenstadt Haifa besuchen wir das Gemeindezentrum in der Me'irstraße. Es ist ein besonderer Ort, an dem Einheit unter Juden und Christen greifbar wird. Hier treffen sich unter einem Dach eine judisch-messianische und eine arabisch-christliche Gemeinde. Dem Gebäudekomplex angegliedert ist außerdem das Ebenezer-Heim, in dem Christen und messianische Juden ihren Lebensabend verbringen. Die Begegnung mit Philip Saad und seiner Frau Violet zählt für mich zu den eindrucksvollsten der Reise. Er gründete die Arabische Baptistengemeinde, die sich in der Me'irstraße versammelt. Unter den arabischen Pastoren ist er einer der wenigen mutigen Zeugen, die für eine heilsgeschichtliche Sicht Israels eintreten.Er glaubt an eine vollkommene Einheit unter messianischen Juden und arabischen Christen. Es beschämt ihn, dass sich weltliche Menschen um Frieden in Israel mühen, während Christen, die den Friedensvertrag im Herzen haben, es nicht ernsthaft versuchen. Für ihn sind die politischen Mauern im Land nicht das eigentliche Hindernis. Er sagt: »Die Mauer zwischen arabischen und jüdischen Brüdern in Israel ist noch viel höher. Auf beiden Seiten gibt es Gedankenansätze, die nicht an der Schrift orientiert sind. Daraus erwächst ein Zaun von gegensätzlichen Auffassungen, die zur Trennung führen und im Krieg enden.« Saad strahlt jedoch große Zuversicht aus, die er auch begründen kann: »Als Jesus darum betet, dass alle seine Nachfolger vollkommen eins sein sollen, hat Gott ihn erhört. Denn wir wissen von ihm selbst, dass er allezeit vom Vater erhört wurde.« (Johannes 11,42) Er erklärt: »Gott schuf einen neuen Menschen, der immer dann entsteht, wenn Jude und Nichtjude einander in Christus begegnen. Es stimmt, dass wir durch einen Zaun getrennt waren, aber Jesus beseitigte diese Trennung und hat aus beiden Eins gemacht.« (Epheser 2,14-15) Saa betont: »Jesu Auftrag an seine ersten Jünger – seine Zeuge zu sein – ist auch heute noch gültig. Wir können ihn nur gemeinsam erfüllen, denn nur zusammen bilden wir den einen Leib Jesu.«als Teil des auserwählten Volkes und sind darüber hoch erfreut. Es ist, als wären sie nach einer langen Reise des Suchens endlich zuhause angekommen.

Überraschende Evangelien

 

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